Stadtrechte Menden nicht von 1276, lediglich 1372 bestätigt
Legendenbildung in Menden, Dr. Theo Bönemann, 03.07.2004
Die Stadt Menden sieht in der Urkunde vom 15./ 16. Februar 1276 die Verleihung ihrer Stadtrechte, die jedoch erst viel später nachweisbar sind. “1276 durch Erzbischof Siegfried von Westerburg die Stadtrechte” ist im Stadtinfo in Kurzform nachzulesen. Zum freudigen Anlaß von Festivitäten erfolgte eine bedeutsame Tagung (35. Archivtag Menden) im März 2001 auf der Wilhelmshöhe. Festumzüge und Sonderveranstaltungen für Hunderte von Schaulustigen wurden abgehalten. Doch in dieser Urkunde ist nicht einmal das Wort “Stadt” erwähnt. Die Stadtrechtsverleihungsurkunde gibt es nicht. Spätere Bestätigungen geben keine Zeitangabe an!
Die Urkunde vom 15./ 16. Febr. 1276 ist vielen Mendenern in der Kurzfassung geläufig: „Der Ritter Goswin von Rodenberg überträgt zur Sühne seines Sohnes Bernhard dem Erzbischof Siegfried von Köln die Burg Rodenberg mit Zubehör und die Freigrafschaft und verkauft ihm zugleich die Vogtei in dem Dorf Menden, wofür er Renten aus Soest etc. angewiesen erhält.“ Das vom Erzbischof schwer getadelte Fehlverhalten des Sohnes Bernhard musste das Rittergeschlecht mit dem Verlust seiner Besitzungen und Rechte sowie mit dem baldigen Abzug aus Menden teuer bezahlen. Eine Begründung für die oben genannte Interpretation dieses für Menden wichtigen Vorgangs durch den Festveranstalter, Stadt Menden, ist nirgends zu finden.
Von „Stadt“ oder „Verleihung von Stadtrechten“ ist in der Urkunde von 1276 keine Rede. Das Staatsarchiv Münster zur Urkunde an den Dr. Bönemann: „Dabei handelt es nicht um eine Stadterhebungsurkunde. Stadterhebungsurkunden sind relativ selten.“ Das Archiv des Erzbistums Köln: „Von der Verleihung von Stadtrechten ist dort nicht die Rede.“
Franz-Reiner Erkens weist in “Siegfried von Westerburg (1274-1297), Bonn 1982” nach, daß die Politik des Erzbischofs darauf hinauslief, seine Rechte in Westfalen energisch zu wahren und zu festigen. Die Gelegenheit dazu bot in Menden der ihm ergebene Ritter Goswin vom Rodenberg, dem er oben genannte Rechte ... entzog und damit seine Position “vollkommen als Herr des Mendener Gebietes” (Zeitschrift für vaterländische Altertumskunde, 68 Bd, Dr. W. Hücker, Die Entstehung der Amtsverfassung im Herzogtum Westfalen, S. 94) festigen konnte. Damit wird der umfassendere Sinn dieser Demission Goswins deutlich. Die Urkunde kann daher als Verleihung von Stadtrechten nicht herhalten.
Die Kriterien von Prof. A. K. Hömberg (Zur Erforschung des westfälischen Städtewesens, Köln 1961, S. 31) für “Stadt” liegen vor, wenn der Ort
1. Stadtrecht besaß und 2. befestigt war und 3. in ökonomischer Hinsicht städtischen Charakter trug und 4. Stadt genannt wurde,
konnte er Stadt genannt werden. Nach Professor Hömberg reicht es nicht aus, sich“ zu fragen, wann der betreffende Ort Stadt” genannt wurde. Schließlich gab es Siedlungen, die, obwohl ihnen Stadtrechte zu einem späteren Zeitpunkt verliehen wurden, sich voreilig “Stadt” nannten/ genannt wurden.
Diese vier Kriterien waren im Jahre 1276 für Menden bei weitem nicht erfüllt: Menden wurde in einem Vertrag vom 20. April 1276 “opidum Mendene” genannt, ohne daß dabei eine inhaltliche Wertung vorgenommen wurde. So schreibt dazu auch Dr. Paul Koch : Diese Formulierung “[...] sollte man nicht überschätzen.” (Koch: Menden - Eine Stadt in ihrem Raum, Menden 1973, S. 65). In ihr wird Menden “opidum” als Ort für ein Einlager genannt, so Haase (Carl Haase, Die Entstehung der Westfälischen Städte). Der Inhalt betrifft Menden sonst überhaupt nicht.”, so Koch. Der Inhalt dieses Vertrages als Regest: “Vor Graf Engelbert gelobt Ritter Adolf gen. Allant dem Probst Dietrich von Soest alles, was dem Hofe Calle entfremdet ist, binnen Jahr und Tag wieder beizubringen”.
1276 war die Stadt sicherlich im Entstehen begriffen, aber “Stadt” ist sie noch nicht, so das Historische Seminar Münster. Eine mögliche Interpretation einer „Stadtverfassung“ kann höchstens für 1289/ 90 vorgenommen werden, da in einer Urkunde von mehren „consules“ namentlich gesprochen wird, so das Historische Seminar, Münster. Prof. Haase (s.o.) sieht ebenfalls im Jahre 1290 den Abschluß der Entstehung Menden als “Stadt”.
Die Stadtrechtsverleihungsurkunde ist mehrfach bestätigt worden , so im Jahre 1372: Friedrich III bestätigt die Urkunde am 20. Juli der Stadt, “welche in einer Feuersbrunst alle Urkunden verloren, von Neuem die Rechte der Stadt Attendorn.” Wie kann dann der Bürgermeister seine als Stadtrechtsverleihungsurkunde bezeichnete Urkunde vom Februar 1276 als solche belegen, wenn es sie gar nicht gibt?
Man kann unterstellen, daß die Stadt Menden nicht einmal im Besitz einer Kopie der Urkunde von 1276 ist, in der erstmals das Wort Stadt benutzt wird. Im Museum hängt diese Urkunde aus Calle nicht, in der Menden als opidum (Ort für Einlager) genannt wird. Diese hat aber auch gar nichts mit einer Stadtrechtsverleihung zu tun! Zu Menden gibt es in Archiven lediglich und mindestens zwei spätere Bestätigungen, dass seine Stadterhebungsurkunde verbrannt ist!
Die Stadt Warstein hat ebenfalls das Jahr 1276 als Jahr einer Stadtrechtsverleihung irrtümlich gefeiert. Dabei gibt es viele Parallelen zu Menden. Vgl.: Stefan Enste, “725 Jahre Warstein?”, in: SüdWestfalenArchiv, 1. Jahrgang 2001, S. 43 -70.
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